Der Todschlaeger by Emile Zola

Der Todschlaeger by Emile Zola

Autor:Emile Zola [Zola, Emile]
Format: mobi
Tags: Roman
Herausgeber: TUX
veröffentlicht: 2010-02-21T23:00:00+00:00


Kapitel IX

In diesem Winter wäre Mama Coupeau beinahe bei einem Erstickungsanfall verschieden. Jedes Jahr im Dezember wußte sie mit Bestimmtheit, daß ihr Asthma sie für zwei oder drei Wochen im Bett festnagelte. Sie war ja keine fünfzehn Jahre mehr, am SanktAntoniusTag mußte sie dreiundsiebzig werden. Dazu war sie sehr klapprig und röchelte wegen einer Kleinigkeit, obgleich sie dick und fett war. Der Arzt kündigte an, sie würde beim Husten hinübergehen und bloß noch die Zeit haben, zu rufen: »Gute Nacht, liebes Mädel, das Licht geht aus!«

Wenn Mama Coupeau in ihrem Bett lag, wurde sie bösartig wie die Krätze. Man muß sagen, daß die Kammer, in der sie mit Nana schlief, nichts Heiteres an sich hatte. Zwischen dem Bett der Kleinen und ihrem eigenen war gerade noch Platz für zwei Stühle. Die Tapete an den Wänden, eine alte, verschossene, graue Tapete, hing in Fetzen herab. Die runde Luke in der Nähe der Decke ließ trübes und fahles Kellerlicht hereinfallen. Da drin quälte man sich ganz hübsch, besonders jemand, der nicht atmen konnte. Wenn Schlaflosigkeit sie in der Nacht befiel, horchte sie noch, wie die Kleine schlief, und dies war eine Ablenkung. Aber am Tage murrte sie, da man ihr nicht von morgens bis abends Gesellschaft leistete, sie weinte und sagte stundenlang immer wieder vor sich hin, während sie den Kopf auf dem Kissen hin und her wälzte:

»Mein Gott, was bin ich unglücklich! – Mein Gott, was bin ich unglücklich! – Im Gefängnis, ja, im Gefängnis, da lassen sie mich sterben!«

Und sobald Besuch zu ihr kam, Virginie oder Frau Boche, um sie zu fragen, wie es mit ihrer Gesundheit stehe, antwortete sie nicht und schnitt sofort das Thema ihrer Klagen an.

»Ach, teuer ist das Brot, das ich hier esse! Nein, bei Fremden würde ich nicht soviel auszustehen haben! – Sehen Sie, ich habe eine Tasse Kräutertee haben wollen, na, und da hat man mir einen ganzen Wassertopf voll gebracht, eine Art und Weise, mir vorzuwerfen, daß ich zuviel Kräutertee trinke ... Es ist wie mit Nana, diesem Kind, das ich aufgezogen habe; morgens läuft sie barfuß davon, und ich sehe sie nicht mehr wieder. Man könnte meinen, ich stinke. Doch nachts schläft sie tüchtig, nicht ein einziges Mal würde sie aufwachen, um mich zu fragen, ob ich Schmerzen habe ... Kurzum, ich bin ihnen lästig, sie warten, daß ich verrecke. Oh, das wird bald geschehen sein. Ich habe keinen Sohn mehr, die Wäscherin, diese Schurkin, hat ihn mir genommen. Sie würde mich schlagen, sie würde mir den Rest geben, wenn sie nicht Angst vor dem Gericht hätte.«

Gervaise zeigte sich tatsächlich zuweilen ein wenig grob. Mit der Bude ging es schief, jedermann verbitterte darin und scherte sich beim ersten Wortwechsel zum Teufel. Coupeau hatte eines Morgens, als er Katzenjammer hatte, ausgerufen: »Die Alte sagt immerzu, sie stirbt bald, und dabei stirbt sie nie!« – ein Ausspruch, der Mama Coupeau ins Herz getroffen hatte. Man warf ihr vor, was sie kostete, man sagte seelenruhig, wenn sie nicht mehr da sei, so wäre das eine große Ersparnis.



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